Seltsame Dinge

Die schwedische Autorin Åsa Foster erlaubt in ihren zehn Kurzgeschichten, die alle in der südschwedischen Region Schonen handeln, wo die Autorin kreatives Schreiben studiert hat, einen Einblick in den Alltag von ganz gewöhnlichen Menschen, denen doch Seltsames widerfährt. Die Settings sind teilweise so alltäglich, die Figurentypen so wohlbekannt, dass man fürchtet, es könnte langweilig oder stereotyp werden, doch das passiert nie. Themen, die behandelt werden, sind Mutterschaft, die Monotonie von Langzeitbeziehungen, die Einsamkeit neuer Zugezogener, finanzielle Krisen und immer wieder die Liebe. Mal ist das amüsant, mal bedrückend, dann überraschen Bekenntnisse, die den Schein, dass alle anderen die Herausforderungen des Alltags so souverän meistern, antasten. Einfach gut zu lesen! Hoffentlich gibt es bald Lesenachschub von Åsa Foster. Dem Vernehmen nach arbeitet sie gerade an einem Roman.

Åsa Foster: Und außerdem machen die Leute heutzutage so seltsame Dinge. Aus dem Schwed. von Ursel Allenstein und Stefan Pluschkat. 222 Seiten, Arche Verlag, Zürich-Hamburg 2017EUR 20,60

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2017

Mord in Island

Lesenachschub gibt es aus der isländischen Thrillerszene. Yrsa Sigurðardóttir, die im Hauptberuf als Ingenieurin Kraftwerksprojekte leitet, hat mit „DNA“ den ersten Band einer geplanten Reihe vorgelegt, die sich um das Ermittlungsduo von Kinderpsychologin Freyja und Kriminalkommissar Huldar drehen. Nach einem bestialischen Mord – mit einem Staubsauger, nach Jahrzehnten an Krimiboom wird es zunehmend schwieriger in dieser Hinsicht originell zu sein – bei dem ein Kind Zeugin wurde, treffen die beiden bei der Befragung zusammen. Und wie das auf Island so ist, kennt jede quasi jeden, in diesem Fall von einem One-Night-Stand, bei dem beide nicht ganz die Wahrheit von sich erzählt haben. Neben den Ermittlungen in einer sich zur Mordserie auswachsenden Kette von Ereignissen, die in der Vergangenheit ihren Ursprung haben, gibt es also auch genug privaten Zündstoff, der in den folgenden Bänden wohl seine Fortsetzung finden wird. Solide Krimihandlung, sympathische Charaktere, so geht Islandkrimi.

Yrsa Sigurðardóttir: DNA. Aus dem Isländ. von Anika Wolff. 480 Seiten, btb, München 2016EUR 20,60

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2017

Reigen ins Ungewisse

kristin_sommerreigen„Sommerreigen“ heißt der neueste Roman der Isländerin Kristín Marja Baldursdóttir auf Deutsch. Sommer ist es auf Island in diesem Buch, ein ungewöhnlich warmer noch dazu. Und ein Reigen ist es, ein Reigen von Personen, Familienmitgliedern, Intrigen, Geheimnissen. Ein mysteriöser „Fremder“ – Franzose mit nordafrikanischen Wurzeln – taucht auf. Er ist Fotograf und gibt vor, einen Bildband über besondere isländische Persönlichkeiten zu planen, in dem Gylfi, der Hoteldirektor, abgebildet werden soll. Doch eigentlich ist er einem Geheimnis auf der Spur, das mit einer Fotografie zu tun hat, die Gylfi mit einer Frau in der Pariser Metro zeigt. Je mehr über Gylfi erzählt wird, desto mehr Brüche tun sich auf. Da wird jede Menge Spannung aufgebaut. Immer wieder geht es auch um die Thematik des Fremdseins und den Umgang mit „dem Fremden“ in der kleinen, geschlossenen Gesellschaft Islands, wo ganz viel ganz schnell „fremd“ ist. Einer der stärksten Erzählstränge – inhaltlich wie literarisch – ist dabei der über Senna, die nicht-weiße Adoptivtochter Gylfis. Und dann ist der Reigen zu Ende, aber hier schließt sich kein Kreis, sondern die Leserin fällt mit allen unaufgelösten Geheimnissen und Intrigen buchstäblich in einen eiskalten isländischen Fluss. Schluss, aus, ratlos.

Kristín Marja Baldursdóttir: Sommerreigen. Roman. Aus dem Isländischen von Tina Flecken. 285 Seiten, Fischer Krüger, Frankfurt/M. 2015  EUR  19,60

erstmals erschienen in WeiberDiwan 02/2015