Unter den Augen des Teufels

Die Geschichte einer Stadt, die vom Teufel bewacht wird. Lübeck, detailsicher gezeichnet, gleichzeitig nur ein Beispiel unter anderen deutschen Städten, in denen dieser Teufel mit den blauen Augen wohnen könnte. Er sitzt dort fest, als stiller Beobachter, passiv, fast zu bemitleiden. Nur die Frauenfiguren in diesem Buch sehen ihn. Lucie, Freya und Jessie. Jede verhaftet in ihrer Zeit, ihre Geschichte verwoben mit der Geschichte von sie dominierenden Männern. Lucie überlebt auf wundersame Weise den Selbstmord ihrer schwangeren Mutter. Ihr Vater, ein glückloser Künstler und Alkoholiker, kümmert sich um dasVermögen, doch Lucie bleibt schwer zugänglich, eigen-artig, empfindsam. Der Mann, den sie heiratet, anfangs noch eine leidlich sympathische Figur, wird zum Gestapo-Bürokraten, lässt den Schwiegervater deportieren, pflanzt eine Lebenslüge in Tochter Freya, die ihrerseits keinerlei emotionale Beziehung zu ihrer Tochter Jessie aufbauen kann. Vererbte Traumata. Psychiatrie, Sucht, aber auch radikales politisches Engagement in der Punkbewegung. „Stadt aus Rauch“, ein Buch, das einer die Tiefpunkte jüngerer Geschichte und Gegenwart um die Ohren haut, genauso wie die Unterdrückung seiner Protagonistinnen. Märchenhafte Szenen mit phantastischen Elementen wechseln sich ab mit harten realistischen Schilderungen. Ständige Zeitsprünge zwischen den Geschichten, kaum dass eine sich in einem Erzählstrang festgelesen hat, kosten Überwindung, doch dann schwimmt eine mit im Strudel und taucht erst am Ende atemlos wieder auf. Zu Recht vielgelobt.

Svealena Kutschke: Stadt aus Rauch. 668 Seiten. Eichborn, Köln 2017 EUR 24,70

Esoterischer Norden

Krimiserien erfreuen sich ja bekanntlich großer Beliebtheit, wobei der „kriminelle“ Inhalt manchmal zugunsten der Entwicklung der Hauptfiguren in den Hintergrund rückt. Darum ist es auch mal spannend, in eine Serie bei Fall Nummer sieben einzusteigen. Hanna Hemlokk ist nicht nur Privatdetektivin, sondern auch Autorin schmalziger Liebesromane. Wie gut, dass während einer kleinen Schreibblockade ein Kriminalfall auftaucht. Eine Witwe glaubt nicht, dass der Tod ihres Mannes ein Unfall war, und beauftragt Hanna. Aber auch in ihrer direkten Umgebung geht es rund. In dem kleinen schleswig-holsteinischen Dorf wimmelt es nur so von BesucherInnen eines geheimnisvollen Kornkreises. Nicht nur, dass Hanna genervt von deren esoterischem Gelaber ist, kaufen sie auch noch die lokale Bäckerei leer, gerade als Hanna dringend eine Cremeschnitte möchte. Als plötzlich eine der „Channeling“-Expertinnen auf mysteriöse Weise verschwindet und Hanna auch in diesem Fall ermittelt, wird es fast ein wenig unübersichtlich. Eine rasant erzählte Geschichte mit skurrilen Episoden und ganz sicher ohne Thrillerelemente, die eine nicht gut schlafen lassen. Nur der aufgekratzte Ton und die große norddeutsche Klappe der Heldin können manchmal etwas anstrengend werden.

Ute Haese: Buttgeflüster. Der siebte Fall für Hanna Hemlokk. Küsten Krimi. 333 Seiten, emons, Köln 2017 EUR 12,30

erstmals erschienen in WeiberDiwan 02/2017