Reise zum Ich

Eine junge Lehrerin pendelt täglich mit dem Zug in eine nahegelegene Stadt, um zu ihrer ersten Arbeitsstelle zu gelangen. Vieles ist in ihrem Leben im Umbruch, die neue Rolle als Lehrende, nicht sehr viel älter als ihre Schüler*innen, es passt noch nicht. Nicht so ganz passt auch die Affäre zu dem verheirateten Mann, den sie am ersten Arbeitstag im Zug trifft. Die Ich-Erzählerin startet unsicher in ihren neuen Lebensabschnitt. Der Arbeitsalltag ist überfordernd und schon irgendwie bedrückend gleichzeitig. Sie pendelt nicht nur zwischen ihrer Wohnung und der Schule, sondern auch zwischen Vergangenheit und Zukunft, Sich-Gehenlassen und Sich-Zusammenreißen, Gefühl und Vernunft. Die Suche der „Neuen Reisenden“ porträtiert die dänische Autorin Tine Høeg in ihrem preisgekrönten Debutroman von 2017, der nun auch auf Deutsch erhältlich ist. Als monologische Darstellung war das Werk auch schon auf der Bühne. Das erste Durchblättern macht etwas stutzig, die kurzen Kapitel in einem lyrischen Textsatz, jeder neue Satz eine neue Zeile, manchmal nur Schlagwörter, keine Interpunktion – geht sich da ein Roman aus? Es geht. Und wie. Trotz knappster Sprache, erzeugt Høeg ein extrem dichtes Leseerlebnis. Es wird genug gesagt, um in die Welt der Erzählerin hineingesogen zu werden und teilzuhaben an diesem jungen Erwachsenenleben der heutigen Zeit. Es bleibt große Vorfreude auf mehr von Tine Høeg.

Tine Høeg: Neue Reisende. Aus dem Dän. von Gerd Weinreich. 128 Seiten, Droschl, Graz/Wien 2020, EUR 19,00

erstmals erschienen in WeiberDiwan Sommer 2020

Willkommen zum NordNerds Adventskalender 2018 – Türchen 9 wartet

Logo NordNerds Adventskalender 2018Michel aus Lönneberga, Pippi Langstrumpf und Madita, sie alle haben mir schon als Kind die Zeit des Wartens auf Weihnachten verkürzt – sei es durch die Schilderungen des idyllischen schwedischen Weihnachtens oder durch die mit Sicherheit zu den Feiertagen wiederkehrende Ausstrahlung der diversen Verfilmungen. Es lag also mehr als nahe, mein Türchen Nr. 9 des NordNerds Adventskalenders 2018 mit einem Beitrag zu jener Frau zu füllen, die mir und so vielen anderen diese Fantasiewelten geschenkt hat: Astrid Lindgren. Und weil es so schön ist, aus dem Adventskalender kleine Geschenke zu holen, gibt es auch etwas zu gewinnen.

Astrid Lindgren – Film und Gewinnspiel

FilmplakatSo bekannt Astrid Lindgrens Bücher und Filme auch sind, und zwar mit ungebrochener Beliebtheit über inzwischen mehrere Generationen von Lesenden, so wenig weiß man – zumindest außerhalb Schwedens – über die Autorin selbst. Vielleicht ist das auch gar nicht notwendig, denn schließlich sprechen ihre Werke für sich. Doch nun, fast 17 Jahre nach dem Tod Lindgrens, bringt ein neuer Film ganz private Seiten ihrer Biografie auf die Leinwand. Die dänische Regisseurin Pernille Fischer Christensen ist eigenen Angaben zufolge durch Zufall auf die Geschichte jener einschneidenden Erlebnisse aus den Jugendjahren der Autorin gestoßen, die sie zu weiteren Recherchen und schließlich dem gerade auch im deutschsprachigen Raum angelaufenen Film „Astrid“ inspiriert hat.

Ein Geheimnis war es nie, in allen Biografien ist es nachzulesen, doch nachdem Lindgren selbst sich später nie öffentlich dazu geäußert hat, wurde auch nie eine große Sache daraus. Mit 16 Jahren bekam Astrid – damals Ericsson – die Chance, als Volontärin bei der Zeitung von Vimmerby zu arbeiten und damit sich erstmals in jenem Metier zu erproben, das später ihr Leben prägen sollte, dem Schreiben. Sie war jung und hungrig nach dem Leben, es waren die „wilden“ 20er Jahre, ein bisschen auch in Småland. Doch eine Affäre mit dem 30 Jahre älteren Chefredakteur der Zeitung blieb nicht folgenlos. Astrid wurde schwanger, und „wilde“ 20er Jahre hin oder her, im Dorf wäre das ein Skandal geworden, hätte es sich herumgesprochen. Eine leichte Lösung für die entstehenden Probleme gab es nicht. Eine Heirat mit dem noch dazu anderweitig verheirateten künftigen Vater kam nicht in Frage.

Astrid floh aus ihrem Heimatort nach Stockholm und begann dort eine Ausbildung zur Sekretärin. Das Kind brachte sie in Kopenhagen auf die Welt, wo das einzige Krankenhaus Skandinaviens lag, in dem Geburten nicht offiziell an die Heimatgemeinden gemeldet wurden und es möglich daher möglich war, den Vater nicht bekannt zu machen. Doch mit nach Hause nehmen konnte sie den kleinen Lasse nicht, er blieb bei einer Pflegemutter in Dänemark. Astrid schloss ihre Ausbildung ab, lebte in einem kalten Untermietszimmer und hungerte, damit sie ab und zu eine Reise über den Öresund zu ihrem Sohn finanzieren konnte. Erst nach einigen Jahren war Astrid in der Lage, ihr Kind nach Stockholm zu holen.

Der Film mit der dänischen Schauspielerin Alba August in der Hauptrolle konzentriert sich auf jene wenigen Jahre des Erwachsenwerdens und versucht mit großer Emotion die Bedeutung dieser schweren Erfahrungen für das Schaffen einer später berühmten Autorin zu ergründen. Während der Film in Schweden ein großer Publikumserfolg ist und vor allem die Leistung der Hauptdarstellerin hoch gelobt wird, gibt es auch kritische Stimmen, nicht zuletzt von Personen, die Lindgren persönlich kannten. Biografische Filme müssen immer interpretieren und Lücken in der Erzählung füllen – und diese Lücken sind hier aufgrund der Zurückhaltung Lindgrens groß. Dadurch werden Filme wie dieser aber auch zu eigenständigen Werken, in denen Fakten und Fiktionen zu einer neuen Geschichte verwebt werden. In diesem Fall die Geschichte einer jungen Frau, die gegen alle Konventionen der Gesellschaft ihrer Zeit kämpft und große Entbehrungen auf sich nimmt, um sich so viel Autonomie wie möglich zu verschaffen, und das ist weit über die Lebensgeschichte Lindgrens hinaus interessant und sehenswert.

Kinokarten zu gewinnen

Neugierig geworden? Du möchtest selbst eintauchen in diese Erzählung übers Erwachsenwerden unter besonders schwierigen Umständen? Dann kannst Du hier 2 x 2 Kinokarten für den Film „Astrid“ gewinnen. Mitmachen können alle, die über 18 und in Österreich wohnhaft sind. Alles was Du tun musst, ist unter diesem Artikel in den Kommentaren zu posten, welches Deine Lindgren-Lieblingsfigur ist und warum.

Unter allen Kommentaren, die bis 14. Dezember 2018 um 23:59 eingehen, wird ausgelost. Die GewinnerInnen werden per E-Mail verständigt. (Deine E-Mail-Adresse ist zur Abgabe eines Kommentars nötig. Sie wird aber nicht auf der Webseite angezeigt und für keinen anderen Zweck als die Gewinnspielabwicklung verwendet oder gespeichert.) Hier geht es zu den Teilnahmebedingungen im Detail.

Weiterlesen

Wenn Du einstweilen schon mal mehr zu Astrid Lindgren lesen möchtest, findest Du auf meinem Blog Artikel zu Lindgrens Engagement gegen Gewalt gegen Kinder, zu einem wunderschönen Bildband mit Eindrücken aus allen Lebensabschnitten der Autorin, zur Urfassung von Pippi Langstrumpf sowie zum Briefwechsel mit Sara Schwardt.

 

Dieser Artikel ist ein „Türchen“ des NordNerds-Adventskalenders. Mehr nordischen Weihnachtsflair gibt es täglich auf folgenden Blogs:

  1. Sa www.mahtava.de
  2. So www.schwedenundso.de
  3. Mo www.bessernordalsnie.net
  4. Di www.sanddornundseegras.de
  5. Mi www.mahtava.de
  6. Do www.fernwehge.com
  7. Fr www.nordlandfieber.de
  8. Sa www.nordlicht-unterwegs.de
  9. So www.nordstein.at
  10. Mo www.utiniswundertuete.de
  11. Di www.tarjasblog.de
  12. Mi www.wienerbroed.com
  13. Do www.schwedenhappen.ch
  14. Fr www.bit.ly/franziinschweden
  15. Sa www.kapidaenin.de
  16. So www.besser-nord-als-nie.net
  17. Mo www.heldenunterwegs.de
  18. Di www.toertchenmadeinberlin.com
  19. Mi www.einfachschweden.de
  20. Do www.mahtava.de
  21. Fr www.elchkuss.de
  22. Sa www.meerblog.de
  23. So www.kapidaenin.de
  24. Mo www.finnweh.de 

Lo

Eine neue Stadt, sündteure neue Stiefel, ein fremder Mann für eine Nacht. Das sind die Dinge, die Lo (sprich „Lu“) sich am Leben fühlen lassen. Doch Lo ist auf der Suche. Sie kehrt zurück ins Dorf ihrer Kindheit. Eine Kindheit umgeben von Verwandten, die aus ökonomischen Gründen von Norrland nach Schonen ziehen mussten. Ein Vater, der eines Tages wegging. Ein Unglück, das früher in Norrland geschehen war und über das niemand sprach. Und dann gab es da noch Lukas, den Jungen aus dem Dorf, den alle eigenartig oder gar gefährlich fanden, der sich aber trotz sechs Jahren Altersunterschieds mit Lo anfreundete. Die Erwachsenen betrachteten diese Beziehung mit Argwohn, verbaten sie. Doch Lo und Lukas waren seelenverwandt, später auch verliebt, bis der Tod von Lukas Vater und ein Brand alles aus dem Lot brachten.

Die schwedische Autorin Anne Swärd schreibt in ihrem zweiten auf Deutsch erschienenen Roman über eine Frau auf der Suche nach ihrer Herkunft und dem Menschen, der ihr je am meisten bedeutet hat. Eine schmerzhafte Suche. Aus verschiedenen Erzählperspektiven – einmal aus der Vergangenheit, einmal aus der Gegenwart – nähert sich die Ich-Erzählerin einer Geschichte über das Erwachsenwerden, über die unterschiedlichsten Gründe, warum Menschen einander anziehend finden und nicht zuletzt auch einer außergewöhnlichen Liebesgeschichte. Sehr empfehlenswert.

Anne Swärd: Bis zum letzten Atemzug. Roman. Übersetzt von Sabine Neumann. 346 Seiten, Suhrkamp Nova, Berlin 2011     EUR 15,40

erstmals erschienen in WeiberDiwan 02/2011