Kinderbuchheld*innen

Der Band „Berühmte Kinderbuchautorinnen“ der Germanistin Luise Berg-Ehlers spannt einen weiten Bogen über das Schaffen von Autorinnen im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur der letzten 150 Jahre. Von Clementine Helm bis J.K. Rowling sind 27 Kurzbiografien mit oft unbekannten Details vereint. Else Ury, Christine Nöstlinger, Judith Kerr, Selma Lagerlöf, Enid Blyton, Tove Jansson und viel andere werden vorgestellt und ihr Hauptwerk gewürdigt.

Viele, auch der älteren genannten Bücher stehen heute noch in öffentlichen Bibliotheken und werden gelesen, zumindest aber sind alle, die in den 1970er Jahren und früher geboren wurden, mit Figuren wie Backfisch, Trotzkopf oder Nesthäkchen aufgewachsen. Ein bislang nostalgisches, manchmal kopfschüttelndes Wiedersehen ob der stereotypgetränkten Welten, die einst für Unterhaltung sorgten, gibt es da. Auch nie wahrgenommene Held*innen, wie Daddy Langbein oder Anne auf Green Gables, sind anzutreffen. Ein guter Überblick für Interessierte, ein Anstoß zu Leseerinnerungen und vielleicht ein Anlass, mit den Kindern von heute die Bilder zu betrachten und zu vergleichen, was einst und heute Kinderbuchheld*innen so ausmachte.

Luise Berg-Ehlers: Berühmte Kinderbuchautorinnen und ihre Heldinnen und Helden. 152 Seiten, Elisabeth Sandmann Verlag, München 2017 EUR 25,70

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2017

Blixen im Kleinformat

Als junge Frau konnte Tania (Karen) Blixen es kaum erwarten aus Dänemark wegzukommen. Sie träumte von Afrika und fand in Kenia eine Heimat, in der sie aus ökonomischen und gesundheitlichen Gründen aber nicht bleiben konnte. Die Rückkehr nach Dänemark, genauer gesagt auf das Familienanwesen Rungstedlund nördlich von Kopenhagen an der Küste des Öresunds gelegen, war eine Niederlage. Doch hier blieb Blixen und noch heute ist Rungstedlund eine Pilgerstätte für ihre Fans. In dem vorliegenden kleinen Heft haben Bernd (Text) und Angelika (Fotos) Fischer eine Zusammenschau von Blixens Biografie mit historischen wie neuen Schwarz-Weiß-Fotografien geschaffen. Für Neugierige, die bisher nur die Hollywood-Version von „Jenseits von Afrika“ kennen, ist es ein Einstieg ins Leben der Autorin. Für Blixen-Kenner*innen ist es ein Kleinod zum Schmökern, Blättern und vielleicht der Anstoß, bei einer Reise in den Norden einen Abstecher nach Rungstedlund zu machen.

Bernd und Angelika Fischer: Tania Blixen in Rungstedlund. Menschen und Orte. 32 Seiten, Edition A. B. Fischer, Berlin 2015 EUR  9,10

erstmals erschienen in WeiberDiwan 02/2015

Die Welt der Selma Lagerlöf

lagerloef_bioIm deutschsprachigen Raum ist Selma Lagerlöf (1858-1940) vor allem als Autorin des „Nils Holgersson“ bekannt, wobei viele, die mit der Trickfilmserie groß geworden sind, wahrscheinlich nie das Buch zu Gesicht bekamen. Jedenfalls sieht man sie am ehesten als Kinderbuchautorin. Literaturgeschichtlich Interessierte kennen sie als erste Frau, die für ihr umfangreiches literarisches Werk 1909 den Nobelpreis erhielt und als erste Frau, die in die Schwedische Akademie gewählt wurde. Was umso bemerkenswerter ist, als bis heute nur neun von bisher insgesamt 190 Mitgliedern Frauen waren. Darüber hinaus bietet Lagerlöfs Lebensgeschichte aber viele weitere interessante Aspekte, die anlässlich ihres 75. Todestages nun auch in der neuen deutschsprachigen Biografie „Selma Lagerlöf. Värmland und die Welt“ nachzulesen sind. Wie der Untertitel schon verrät, wird ausführlich auf ihre zeitlebens wichtige Verbundenheit zu ihrer Herkunftsregion Värmland, v.a. das Gut Mårbacka eingegangen, das der Vater einst verloren hatte und das Lagerlöf dank ihres auch ökonomischen Erfolges später zurückkaufen konnte. Bemerkenswert sind Lagerlöfs ausgedehnte Reisen nach Italien, aber auch Ägypten, Palästina und Konstantinopel, die entsprechend Niederschlag in ihren Romanen fanden. Auch Lagerlöfs Wirken in der Frauenstimmrechtsbewegung und ihrem sozialen Engagement wird in der Biografie Rechnung getragen.

Neue Facetten der Autorin wurden bekannt, als 50 Jahre nach ihrem Tod, tausende Briefe zugänglich wurden, die ihr Privatleben in einem neuen Licht zeigen. Die bis dahin oft als eine Art „alte Jungfer“, die mangels Ehemann erst Lehrerin wurde und dann als „einsame“ Schriftstellerin lebte, dargestellt wurde, hatte zu ihrer Schriftstellerkollegin und Reisegefährtin Sophie Elkan sowie zu ihrer Freundin Valborg Olander auch Liebesbeziehungen, deren Höhen und Tiefen in eben jenen Briefen nachvollziehbar werden.

lagerloef_loewenskoeldNeben der Biografie würdigt der Verlag Urachhaus Lagerlöf auch durch eine Neuauflage der sogenannten Löwensköld-Trilogie, dem Spätwerk der Autorin zuzurechnen und insofern unvollständig, als das offene Ende des dritten Bandes auf einen geplanten vierten Band zurückzuführen ist. Mit vielen Referenzen auf ihr Gesamtwerk, mit einer Mischung aus an Märchen und Sagen erinnernden Zügen, der Darstellung der värmländischen Lebensbedingungen und der Beschäftigung mit religiösen Fragen schließt sich mit der Trilogie gleichsam Lagerlöfs literarischer Schaffenskreis.

Holger Wolandt: Selma Lagerlöf. Värmland und die Welt. Eine Biografie. 320 Seiten, Urachhaus, Stuttgart 2015  EUR 23,60

Selma Lagerlöf: Die Löwenskölds. Drei Romane. Aus dem Schwedischen von Marie Franzos und Pauline Klaiber-Gottschau. 720 Seiten, Urachhaus, Stuttgart 2015 EUR 25,60

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2015

Tove Jansson: „Freiheit ist das Beste von allem“

Tove Jansson (1914-2001) ist bis heute die wohl bekannteste jansson_comicschwedischschreibende Autorin Finnlands. Über ihr reiches Künstlerinnenleben berichtet die Kunsthistorikerin Tuula Karjalainen anschaulich und einfühlsam in der nun auf Deutsch erschienenen Biografie.

Jannson war nämlich viel mehr als nur Schriftstellerin, nämlich Kunstmalerin, Illustratorin, Comic-Zeichnerin, Bühnenbildnerin, Dramaturgin, Dichterin, politische Karikaturistin. „Da war sie eine unerbittliche und leidenschaftliche Pazifistin und Antifaschistin. In ihren Gedanken und ihrer Lebensweise war sie eine Feministin, die ihrer Zeit voraus war.“

Als Tochter eines bekannten Bildhauers und einer überaus produktiven Illustratorin war ihr die künstlerische Laufbahn gewissermaßen vorgegeben. Mit dem Vater verband sie eine lebenslange Hassliebe, die Mutter war ihre wichtigste Vertraute. Beide waren künstlerische Vorbilder, während ihre Ehe, in der die Mutter ihre künstlerische Karriere hinter die des Vaters stellte, um sich um Haushalt, Kinder und regelmäßiges Einkommen zu kümmern, das Gegenteil von dem war, was die freiheitsliebende Tove wollte. Einen wunderbaren Einblick in ihre Kindheit bieten auch Janssons Erzählungen in „Die Tochter des Bildhauers“, die mit scharfem Blick auch die patriarchalen Verhältnisse in der Kunstszene aufs Korn nehmen.

jansson_bioJansson studierte Malerei in Stockholm und Helsinki, doch ihre gerade in Schwung kommende Karriere wurde durch den Zweiten Weltkrieg erst einmal gedämpft. Die Erfahrungen der Kriegsjahre verarbeitete sie teilweise durch Schreiben, die Mumin-Familie entstand. Ihren ökonomischen Durchbruch erlebte sie mit den überaus erfolgreichen Mumin-Comics, die in den 1950er Jahren in der englischen Zeitung „The Evening News“ erschienen und von dort um die Welt gingen. Jansson war die Erste, die die Trennlinien zwischen den Comicbildnern in die Geschichten einbezog und als Bildelemente gestaltete. Für viele Zeichnerinnen wurde Jansson zum Vorbild und noch heute sind Frauen in der finnischen Comicszene, sonst oft ein männlich dominierten Genre, überrepräsentiert.

Immer wieder zog es Tove Jansson in ihrer Laufbahn zur Malerei, später auch zur Literatur für Erwachsene, in beiden Bereichen hatte sie Erfolg. Insgesamt ist ihr Leben geprägt von einer unglaublichen Produktivität, und das, obwohl sie immer wieder unter depressiven Episoden litt.

Privat hatte Jansson in den 1930er bis 40er-Jahren einige Beziehungen zu (künstlerisch) einflussreichen Männern, bis sie sich Hals über Kopf in die Theaterregisseurin Vivica Bandler verliebte. Die Frau fürs Leben fands sie schließlich in der Künstlerin Tuulikki Pietilä: „Toves Traum einer Beziehung zwischen zwei selbstständigen, sich gegenseitig ergänzenden und gemeinsam arbeitenden Menschen war Wirklichkeit geworden.“ Die beiden lebten fast 50 Jahre zusammen. Ganz offen, aber nicht öffentlich. Skandal war es keiner, wenn auch manchmal über sie getuschelt wurde: „Ihre Offenheit bedeutete viel für das Leben der sexuellen Minderheiten in Finnland. Obwohl sie auch in dieser Sache nicht auf die Barrikaden gestiegen ist.“

Tove Jansson: Die Tocher des Bildhauers. Übersetzt von Birgitta Kicherer. 127 Seiten, Urachhaus, Stuttgart 2014     EUR 18,40

Tuula Karjalainen: Tove Jansson. Die Biografie. Übersetzt von Anke Michler-Janhunen und Regine Pirschel. 352 Seiten, Urachhaus, Stuttgart 2014            EUR 37,10

erstmals erschienen in WeiberDiwan 02/2014

Zäh und immer zäher

lutz_groenlandBirgit Lutz ist freie Journalistin und Autorin, die sich in ihrer Arbeit ganz der Arktis verschrieben hat. Nach ersten Expeditionen auf Schiffen folgten zwei Ski-Expeditionen zum Nordpol. Ihr aktuelles Buch, das sie einen Expeditionsthriller nennt, heißt „Grenzerfahrung Grönland“ und berichtet von ihrer Durchquerung Grönlands von Westen nach Osten im Jahr 2013. 560 Kilometer auf Skiern, im Schlepptau einen Schlitten, der anfangs mehr wiegt als sie selbst. Hunderte Kilometer keine Menschenseele, nur weiße Fläche, Gletscher, der dem Auge keinerlei Anhaltspunkt bietet. Auf die körperlichen Herausforderungen hat sie sich ausreichend vorbereitet, die Ausrüstung ist top. Hightech mit Satellitentelefon als Notfallverbindung, GPS, Zugang zum Wetterbericht. Und dennoch die psychischen Herausforderungen hatte Lutz unterschätzt. Alles steht und fällt mit der Stimmung im Team. Die beiden Männer, mit denen sie loszieht, kennt sie aus Expeditionskreisen, gemeinsam auf Tour waren sie noch nie. Sie findet sich wieder mit einem Exzentriker, der im Zweifelsfall immer tut, was er will und aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit gegenüber den beiden anderen einfach davonzieht, und einem netten Kumpel, der Konflikte meidet und lieber nachgibt. Thriller ist keine Übertreibung für das, was sich da im ewigen Eis abspielt. Trotzdem ist und blieb Birgit Lutz voller Abenteuerlust und steckt mit ihrer Begeisterung an. Es gibt nicht viele Frauen auf derlei Expeditionen, was sich auch im Angebot an entsprechender Bekleidung niederschlägt – Stichwort Pinkelpause. Meist ist Geschlecht aber kein Thema, vielmehr geben diverse Verletzungen oder Schmerzen, Unterschiede in der körperlichen und seelischen Belastbarkeit in dieser Extremsituation den Ausschlag.

Birgit Lutz: Grenzerfahrung Grönland. Mein Expeditionsthriller. 382 Seiten, btb Verlag, München 2014          EUR 20,60

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2014

Bildgeschichten

Heuer wäre Astrid Lindgren 100 Jahre alt geworden. Ein Grund auch für ihren langjährigen deutschsprachigen Verlag Oetinger die meisten ihrer Bücher neu aufzulegen. Ein ganz besonderes Schmuckstück ist allerdings ein neues Buch über Lindgren, ein großer Bildband, der das Leben der Autorin noch einmal in neuer Tiefe zeigt. Fotografien aus mehr als 100 Jahren und Faksimiles von Briefen, Manuskriptseiten und Dokumenten. Alles beginnt natürlich mit Bildern von Småland aus Lindgrens Kindheit, dann das junge Erwachsenenleben und die ersten Fotos ihrer Kinder, FreundInnen, Verwandte, ihre Wohnumgebung, das geliebte Ferienhaus. Die so gezeigte „private“ Astrid ist auf den ersten Blick wohl bekannt, ein vielfach reproduziertes Idyll, das aber einmal mehr gebrochen wird, im Begleittext oder etwa auch in der Abbildung vom Reisepass der knapp 20-Jährigen, die sparte, wo sie nur konnte, um ihr – unehelich geborenes – Kind bei der Pflegefamilie in Kopenhagen zu besuchen.

Ein großer Teil des Bandes widmet sich dann der Arbeit als Autorin; besonders die Fotos von den Filmsets erweitern auf faszinierende Art und Weise den Blick der Betrachterin: nur zu bekannt sind die Gesichter der SchauspielerInnen von Pippi, Michel und Co, doch hier sieht man sie gemeinsam mit der Erschafferin ihrer Rollen: mit Pippi schleicht Lindgren durch den Garten der Villa Kunterbunt und erklärt ihr anscheinend die nächste Szene, gemeinsam mit Ronja (Räubertochter) und deren Freund Birk steht sie im windigen Wetter und blickt auf die Mattisburg.

Perfekt wird der Band aber erst durch die „ungewöhnlichen“ Bilder, die zeigen, dass Lindgren eben außergewöhnlich war: als 71-Jährige auf einen Baum kletternd oder beim Foto-Shooting zum 90. Geburtstag Grimassen schneidend, den Schalk und Humor ungebrochen in den Augen. Unbedingt empfehlenswert!

Jacob Forsell, Johan Erséus, Margareta Strömstedt: Astrid Lindgren. Bilder ihres Lebens. Übersetzt von Angelika Kutxh. Oetinger, Hamburg 2007 EUR 40,10

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2007