Hilja gegen den Rest der Welt

lehtolainen_nest_des_teufelsEndlich ist er da, der dritte Band von Leena Lehtolainens Thrillertrilogie rund um die Leibwächterin Hilja Ilverskero. Hilja ist so tough, wie wir sie auch bisher schon kennengelernt haben. Als Leibwächterin einer weißrussischen Oligarchentochter, die einen finnischen Geschäftsmann heiraten will, hat sie wieder einen Job in ihrem Metier. Doch der vermeintliche Alltag gerät bald durcheinander, als in ihrer unmittelbaren Umgebung alte Bekannte und Kontrahenten auftauchen – ihr Geliebter, der Agent David Stahl, sowie der Waffenhändler, den ersterer im ersten Band um einen ertragreichen Deal gebracht hat. Während sich dieser alte Konflikt zuspitzt, gilt es auch privat einiges durchzustehen: Hiljas Vertrauter in der Polizei, Laitio, ist todkrank und Hiljas Vater, der ihre Mutter ermordet hat und seither in psychiatrischer Sicherheitsverwahrung sitzt, soll entlassen werden. Es kommt zu mehr als einem Showdown und Spannung ist garantiert. Was sich allerdings der Verlag dabei denkt, im Klappentext das Ende eines Thrillers zu verraten, bleibt unerklärlich und hat das Lesevergnügen merklich getrübt. Also Schutzumschlag wegwerfen und gleich mit dem Lesen beginnen!

Leena Lehtolainen: Das Nest des Teufels. Thriller. Übersetzt von Gabriele Schrey-Vasara. 444 Seiten, Kindler, Reinbek bei Hamburg 2014            EUR 20,60

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2014

Möwengekreische

Die Idee klang originell und war der Grund für den Griff zu Sina Beerwalds neuem auf Sylt spielendem Krimi „Mordsmöwen“: ein Mensch verschwindet, doch kein schrulliger Inselkommissar macht sich auf die Suche und auch keine ambitionierte Journalistin, nein, eine Schar Möwen ermittelt. Und das auf durchaus lustige Art und Weise. Die auf Sylt lebende Autorin schafft es, viel Lokalkolorit zu verbreiten und hat das Verhalten der Möwen nicht nur intensiv beobachtet, sondern beschreibt es auch prägnant. Viele Slapstick Szenen wären durchaus tauglich für einen Animationsfilmhit. Doch leider halten Charaktere und Geschichte nicht mit der Idee mit. Die „Möwenbande“ besteht aus klischeehaften Typen: der doofe alte Boss, der nichts mehr mitkriegt, der überforderte alleinerziehende Vater mit aufsässigem Teenagersohn, der Alkoholiker, der Schöne, der natürlich eigentlich schwul ist, und der Tollpatsch, gleichzeitig der geheime Held, der am Ende natürlich die einzige Möwenfrau abkriegt, eine Tussi, die dafür ihren neureichen Möwerich-Verehrer aufgibt. Die Kriminalgeschichte ist ganz ordentlich konstruiert, doch wenn ich noch einen Krimi lesen muss, in dem der arme Mörder nur deswegen „gestört“ ist, weil er eine „böse“ Mutter hatte, mach ich es wie der Möwenheld und stürze mich vor Verzweiflung vom nächsten Leuchtturm!

PS: Weder die Möwe noch die Rezensentin kamen dabei zu Schaden.

Sina Beerwald: Mordsmöwen. Sylt Krimi. 208 Seiten, Emons, Köln 2013           EUR 10,20

erstmals erschienen in WeiberDiwan 02/2013

Die Luchsfrau ist zurück

lehtolainen_löwe_der_gerechtigkeitMit „Der Löwe der Gerechtigkeit“ liegt der mittlere Band von Leena Lehtolainens Trilogie über die Leibwächterin Hilja Ilveresko vor. Nach einem sehr spannenden und actiongeladenen ersten Band kommt der zweite nicht so richtig in Schwung. Der Europol-Agent David Stahl, mit dem Hilja eine heftige Affäre hatte und der dann am Rande eines gescheiterten Urandeals verschwand, ist wieder in Hiljas Leben aufgetaucht. Doch als sie sich heimlich in Italien treffen, verschwindet David erneut und hinterlässt jede Menge rätselhafte Spuren (und eine Leiche). Hilja forscht nach und gerät ins Visier des organisierten Verbrechens. Gleichzeitig wird sie mit neuen Hinweisen auf ihre Herkunftsfamilie konfrontiert: ihr gewalttätiger Vater, der ihre Mutter getötet hat, hat möglicherweise auch etwas mit dem angeblichen Unfalltod ihres Großvaters, bei dem sie aufwuchs zu tun. Und schließlich taucht ganz zum Schluss – als Cliffhanger für Band drei – auch noch eine mögliche Halbschwester auf. Vielversprechender Lesestoff für Lehtolainenfans, die sich die ganze Trilogie reinziehen, weniger für die, die einen schnellen Krimi zwischendurch suchen.

Leena Lehtolainen: Der Löwe der Gerechtigkeit. Thriller. Übersetzt von Gabriele Schrey-Vasara. 348 Seiten, Kindler, Reinbek bei Hamburg 2013   EUR 20,60

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2013

Kallio ermittelt wieder

Leena Lehtolainen nimmt sich in ihrem neuesten Maria Kallio Krimi ein schwieriges Thema vor. Es geht um vier Mädchen, die innerhalb kurzer Zeit in der Nähe von Helsinki verschwinden. Die vier haben gemeinsam, dass sie alle regelmäßig denselben Mädchenclub besuchten, und alle vier sind Muslimas, mit Herkunftsfamilien aus unterschiedlichen Ländern. Als eines der Mädchen ermordet aufgefunden wird und auch die Presse Wind davon bekommt, gerät Ermittlerin Maria Kallio, die inzwischen wieder für die Polizei arbeitet, zunehmend unter Druck. Die Geschichten der vier Mädchen sind vielschichtig, in ihren Leben gibt es Konflikte um Erwachsenwerden, Verliebt sein, Traditionen, Integration, Finnisch sein oder Fremd sein. Gibt es einen gemeinsamen Nenner in ihrem Verschwinden? Ehrenmord oder rassistisches Motiv? Lehtolainen schafft es – im Gegensatz zu anderen in diesem Genre – ohne Klischees und vereinfachende Antworten den Kriminalfall aufzulösen – das Unbehagen über den Umgang der Gesellschaft mit dem Thema Zuwanderung bleibt.

Leena Lehtolainen: Sag mir, wo die Mädchen sind. Maria Kallio ermittelt. Übersetzt von Gabriele Schrey-Vasara. 344 Seiten, Kindler, Reinbek bei Hamburg 2012        EUR 20,60

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2012

Die Luchsin

Wieder einmal wurde in der Redaktion um einen Leena-Titel gefeilscht, ich durfte ihn jetzt als erste lesen! Welch ein Glück! Die Leibwächterin wird auch den anderen gefallen. Hilja Ilveskero ist zwar noch recht jung, hat aber schon allerhand Jobs gehabt. Gerade arbeitet sie als Leibwächterin für eine Immobilienhaiin, die viel Geld mit russischen KundInnen verdient, die in Finnland investieren. Nicht alle mit legalen Absichten. Dabei gerät sie in gefährliche Kreise. Auf einer Moskaureise gibt es Streit zwischen Hilja und ihrer Auftraggeberin, weil diese einen weißen Luchspelz kauft. Hilja kündigt in rasender Wut und das Unheil nimmt seinen Lauf: ihre Auftraggeberin wird prompt ermordet und Hilja verdächtigt. Sie versucht selbst zu ermitteln, weiß aber nicht, wem sie noch trauen darf. Hilja ist eine komplexe Figur, die sowohl in ihrer Tarnung als Durchschnittsfinne Reiska als auch als Prostituierte, die sich ins Wohnzimmer des Mafiapaten einschleicht, überzeugt. Sehr, sehr cool. Und die Geschichte mit der Luchsin erklärt sich am Ende auch.

Leena Lehtolainen: Die Leibwächterin. Thriller. Übersetzt von Gabriele Schrey-Vasara. 378 Seiten, Kindler, Reinbek bei Hamburg 2011 EUR 20,60

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2011

Untertage

hedstroem_grubenAuch in Ingrid Hedströms drittem Villette-Krimi erzeugen die bewährten Ingredienzien aktueller Mordfall mit Wurzeln in der Vergangenheit Spannung. Diesmal hat Untersuchungsrichterin Martine Poirot mit dem Mord an einem Journalisten zu tun, der über ein Grubenunglück in den 1950er Jahren recherchiert hat, was ihn auch auf die Spur eines erfolgreichen Unternehmers bringt, der immer wieder im Dunstkreis zumindest unethischer Machenschaften auftaucht, der sich aber strafrechtlich immer aus der Affäre ziehen kann. Vertuschung, Korruption, Betrug mit Förderungen sind mit im Spiel. Poirot leitet mutig die Ermittlungen, obwohl sie schon sehr bald persönlich bedroht wird. Für Realistinnen vielleicht ein paar viele „zufällige“ Verbindungen zwischen dem Fall und den Stammfiguren der Geschichte, aber durchaus suchtgefährlich!

Ingrid Hedström: Die Gruben von Villette. Kriminalroman. Übersetzt von Angelika Gundlach. 403 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2011 EUR 10,30

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2011

Mittsommer in Belgien

hedstroem_toten_maedchenEndlich wieder eine neue Krimiautorin aus Schweden: Ingrid Hedström, früher Korrespondentin einer großen schwedischen Tageszeitung in Brüssel, fällt schon dadurch auf, dass sie die Handlung ihres Erstlings in Belgien ansetzt. Sie überzeugt mit ihren Schilderungen des Milieus, führt interessante Charaktere ein, die wie die Untersuchungsrichterin Martine Poirot auch krimiserientauglich sind, und spinnt ein Netz von Intrigen, das weit über die Kleinstadt Villette, in der eines Nachts drei junge Mädchen ermordet werden, hinausgeht – sowohl räumlich als auch zeitlich. Schließlich weisen die Spuren schon bald auf einen perfiden Serienmörder hin.

Die Übersetzung des nächsten Hedström-Krimis ist schon in Arbeit. Suchtgefahr!

Ingrid Hedström: Die toten Mädchen von Villette. Kriminalroman. Übersetzt von Angelika Gundlach. 402 Seiten, Suhrkamp Verlag, Berlin 2010 EUR 10,30

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2010