NordNerds Thema – Das Nordlicht

In einer Woche ist Tag-und-Nacht-Gleiche, das heißt Tag und Nacht sind an diesem Tag gleich lang, danach werden die Tage bis zur Wintersonnwende immer kürzer – je weiter nördlich, desto dunkler wird es nun. Doch einen großen Vorteil hat diese Dunkelheit, sie lässt auch die Nordlichter wieder strahlen.

Aurora Borealis heißt das Phänomen der meist grünen, wasserfallartigen Farbschleier, die in der Atmosphäre sichtbar werden auf Lateinisch, Morgenröte des Nordens. Zwischen mystischen Bedeutungszuschreibungen und wissenschaftlichen Erklärungsversuchen ist die Beobachtung des Naturschauspiels auch heute noch ein unvergessliches Erlebnis. Zahlreiche Reisende machen sich daher jeden Winter auf in die einsamen, dunklen Gegenden des nördlichen Europas, um die Polarlichter zu sehen. Voraussetzungen sind nicht nur Durchhaltevermögen – das Nordlicht zeigt sich oft erst nach Mitternacht in voller Pracht – und hohe Kältetoleranz respektive polarnachttaugliche Kleidung, sondern auch noch eine gute Portion Glück, denn nicht nur wolkenloses Wetter ist notwendig, sondern vor allem das Stattfinden von Sonnenstürmen, bei denen geladene Teilchen Richtung Erde ausgestoßen werden, die dann durch das Magnetfeld an die Pole gelenkt beim Eindringen in die Atmosphäre zu diesen grünen, blauen, roten und weißen Lichtspektakeln führen. Soweit zumindest die vereinfachte Erklärung.

Über das Nordlicht wird natürlich auch allerhand geschrieben und gebloggt, weshalb es mich besonders freut, mich als frischgebackenes Mitglied der NordNerds auf die Suche nach spannender Lektüre zu machen. Die NordNerds bilden eine Vernetzungsinitiative von Bloggerinnen und Bloggern mit nordischem Schwerpunkt, von Reise- über Designblogs bis zu Foodblogs spannt sich der Bogen – und ja Buchblogs zum Norden gibt es auch.

Und Bücher sind für mich natürlich auch der Ausgangspunkt für diese Reise in polare Blogpostgefilde. Die meisten Romane, deren Handlung im hohen Norden spielt, kommen um die Beschreibung der dort so präsenten Naturphänomene nicht herum, seien es die hellen Mittsommernächte oder die winterlichen Polarlichter. Diese sind aber nicht nur Kulisse, sondern vielmehr essentiell für die literarische Gestaltung und Vermittlung eines Verständnisses davon, was es heißt, in diesen Regionen tatsächlich zu leben und nicht nur eine Woche staunend durch den Schnee zu stieben. Beim Kramen im eigenen Archiv bin ich dabei auf den Roman Nordlicht der österreichischen Autorin Melitta Breznik gestoßen, die ihre Protagonistin zur Selbstfindung auf die winterlichen Lofoten reisen lässt, freilich ein psychologisch wagemutiges Unterfangen in einer Krisensituation.

Für KrimiliebhaberInnen hat der Norden des Nordens natürlich auch einiges zu bieten. Ich möchte hier aber nur auf eine meiner Lieblingsautorinnen Åsa Larsson hinweisen, die leider nun schon länger keine Kriminalromane mehr veröffentlicht hat, dafür aber im Jugendbuchgenre erfolgreich ist. Ihre Krimiserie um die Hauptfigur Rebecka Martinsson ist inzwischen auch verfilmt worden und im deutschen Fernsehen gelaufen. Den Auftakt bildet der Band Sonnensturm (orig. Solstorm) – mit jeder Menge Spannung unter Nordlichtern.

Schließlich möchte ich auch noch von meinem ersten Eindruck einer eben auf Deutsch und Englisch erschienen Gedichtsammlung Sahne für die Sonne der samischen Autorin Inger-Mari Aikio berichten. Im Original stehen einander samische und finnische Versionen von Naturgedichten gegenüber. Dieses Nebeneinander der Sprachen, in denen gleiche Stimmungen nicht immer in wörtlicher Übereinstimmung wiedergegeben werden können, wird so nachempfunden. Dem Nordlicht sind unter anderem folgende Zeilen gewidmet:

Die Winde spielen
Auf der Lichtorgel des Himmels
Die Melodie hüpft auf dem Schnee

Die Rezension folgt bald auf nordstein.at.

Nachdem jetzt also schon für die literarische Einstimmung gesorgt ist, kann es an die Reiseplanung gehen. Einen sehr guten Einstiegsartikel Wenn in Schweden Winter ist, … findet ihr auf Rikes Blog Schweden und so – dort wird nicht nur genauer als von mir eben erklärt, wie das Nordlicht in seinen verschiedenen Ausformungen entsteht, sondern auch wann und wo man die besten Chancen hat, es zu erleben. Dazu sind extra auch einige Links zu Vorhersageplattformen angegeben sowie Tipps für vertiefte Vorbereitung in Sachbüchern und Bildbänden.

Auf Die Jagd nach dem Polarlicht geht auch Elke auf ihrem Meerblog, und zwar ganz konkret in Island. In einer Reportage so farbenprächtig wie das Nordlicht lässt sie uns teilhaben an ihren Erlebnissen. Michaela wiederum, die auf ihrem Blog MAHTAVA regelmäßig von ihren Auszeiten im finnischen Mökki jenseits des Polarkreises berichtet, kennt dort alle Jahreszeiten hautnah. Wie es ist, so ein Polarlicht öfter zu beobachten, erzählte sie zuletzt in Kaamos – Finnische Rauhnächte. Auch Tarja hat Erfahrungen mit der tanzenden Lady Aurora in Finnland gemacht. Lasst euch von Tarjasblog inspirieren.

Tolle Fotos begleiten alle genannten Blogbeiträge, doch alle, die schon versucht haben, das Nordlicht einzufangen, wissen, dass das alles andere als leicht ist. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, wie ich – vor Eintritt ins Digitalfotografiezeitalter – ausgestattet mit Spezialfilmen, Spiegelreflexkamera und Zubehör bei minus 30 Grad mitten am zugefrorenen Torneälven in Jukkasjärvi stand und fast festfror. So richtig prachtvoll war das Nordlicht dann aber erst eine Stunde später, als ich mich längst zum Aufwärmen nach drinnen begeben hatte. Die Kamera war dann aber vom Hitzeschock ganz angelaufen und an diesem Abend nicht mehr zu gebrauchen. Wie es richtig geht, verraten viele Bücher wie jenes, das Sabine auf dem Travel Stories Reiseblog vorgestellt hat. Und wenn ihr schon dort seid, könnt ihr auch gleich noch nachlesen, wie man Nordlichter in einer Fischerhütte auf den norwegischen Lofoten bestaunt.

Wieder zu Hause angelangt, ist meine Strategie, dem Fernweh standzuhalten, das Stöbern auf Instagram. Gerade auch, um mir Leseideen zu holen. Und da ich weiß, dass gar nicht so wenige von euch eine skandinavische Sprache können, hier noch ein paar Links zu nordischen BücherblogkollegInnen auf Instagram. Dort findet ihr die neuesten Krimis, viele Kinder- und Jugendbücher, schwedische Buchtrends und dann noch norwegische Bücherreisen.

Viel Spaß beim Schmökern!

 

Niemals Gewalt!

1978 bekam die Kinderbuchautorin Astrid Lindgren den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und hielt bei den Feierlichkeiten zu dessen Verleihung eine flammende Rede gegen Gewalt in der Erziehung. Das Verleihungskommittee hatte sich dazu durchgerungen, erstmals eine Autorin auszuzeichnen, die „nur“ Kinderbücher schrieb. Und diese Autorin sprach nun nicht etwa über die Kraft der Fantasie, die man ihren Büchern zuschrieb, sondern über den Mangel an Frieden und das Übermaß an Gewalt in der Welt. Auch wenn sie – vermeintlich bescheiden, denn sie hatte auch sonst keine Hemmungen, den Mächtigen der Welt ihre Meinung mitzuteilen – anmerkte, dass man von ihr als Kinderbuchautorin wohl kaum politische Antworten erwarten könne, nur um dann hochpolitisch die Wurzeln der Gewalt schon in den Erfahrungen der frühen Kindheit zu verorten. Zusammen mit einem Vorwort der deutschen Journalistin und Rassismuskritikerin Dunja Hayali und einem Nachwort der Lindgren-Verlegerin bei Oetinger, Silke Weitendorf, ist aus dem Abdruck der Rede ein kleines Büchlein entstanden, das die immer noch hochaktuelle Botschaft Lindgrens heute neu verbreitet.

Astrid Lindgren: Niemals Gewalt! Aus dem Schwed. von Anna-Liese Kornitzky.  76 Seiten, Oetinger, Hamburg 2017 EUR 5,20

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2017

Schreiben und älter werden

gleichauf_fantasieDie Literaturwissenschaftlerin Ingeborg Gleichauf geht in diesem Buch der Frage nach, was das Schreiben von Schriftstellerinnen in der dritten Lebensphase, also im Alter über 60 ausmacht. Ob und welche Veränderungen zu erkennen sind. Sie analysiert dabei das Werk von 15 durchwegs bekannten Autorinnen und spannt dabei einen Bogen vom Beginn des 20. Jahrhunderts (Else Lasker-Schüller) bis heute, darunter sind Djuna Barnes und Simone de Beauvoir, Patricia Highsmith und Christa Wolf. Die ältesten noch Lebenden, über die sie schreibt, sind Maria Beig, Ilse Aichinger und Friederike Mayröcker. Die Jüngste ist mit 79 Jahren Maja Beutler. Die meisten blicken auf lange Karrieren in ihrem Metier zurück, es gibt also klarerweise eine Entwicklung in ihrem Schaffen über die Jahre.  Allen gemein ist, dass sie nicht daran denken, mit dem Schreiben aufzuhören, trotz aller Widrigkeiten, die zum Beispiel körperliche Veränderungen mit sich bringen. Die meisten leben eher zurückgezogen, legen viel Energie ins Schreiben und – so Gleichaufs Resümee  – „keine wird sentimental, keine lamentiert“. Immer noch sind viele unbequem, auch kritisch gegenüber sich selbst. Einige entdecken immer neue Seiten ihrer Kreativität, bei allen lebt die Fantasie. Alles in allem ein Kaleidoskop an Künstlerinnenporträts außergewöhnlicher Schreiberinnen. Ein Band zum immer wieder in die Hand nehmen.

Ingeborg Gleichauf: So viel Fantasie. Schriftstellerinnen in der dritten Lebensphase. AvivA Verlag Berlin 2015  EUR  20,45

erstmals erschienen in WeiberDiwan 02/2015

Zäh und immer zäher

lutz_groenlandBirgit Lutz ist freie Journalistin und Autorin, die sich in ihrer Arbeit ganz der Arktis verschrieben hat. Nach ersten Expeditionen auf Schiffen folgten zwei Ski-Expeditionen zum Nordpol. Ihr aktuelles Buch, das sie einen Expeditionsthriller nennt, heißt „Grenzerfahrung Grönland“ und berichtet von ihrer Durchquerung Grönlands von Westen nach Osten im Jahr 2013. 560 Kilometer auf Skiern, im Schlepptau einen Schlitten, der anfangs mehr wiegt als sie selbst. Hunderte Kilometer keine Menschenseele, nur weiße Fläche, Gletscher, der dem Auge keinerlei Anhaltspunkt bietet. Auf die körperlichen Herausforderungen hat sie sich ausreichend vorbereitet, die Ausrüstung ist top. Hightech mit Satellitentelefon als Notfallverbindung, GPS, Zugang zum Wetterbericht. Und dennoch die psychischen Herausforderungen hatte Lutz unterschätzt. Alles steht und fällt mit der Stimmung im Team. Die beiden Männer, mit denen sie loszieht, kennt sie aus Expeditionskreisen, gemeinsam auf Tour waren sie noch nie. Sie findet sich wieder mit einem Exzentriker, der im Zweifelsfall immer tut, was er will und aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit gegenüber den beiden anderen einfach davonzieht, und einem netten Kumpel, der Konflikte meidet und lieber nachgibt. Thriller ist keine Übertreibung für das, was sich da im ewigen Eis abspielt. Trotzdem ist und blieb Birgit Lutz voller Abenteuerlust und steckt mit ihrer Begeisterung an. Es gibt nicht viele Frauen auf derlei Expeditionen, was sich auch im Angebot an entsprechender Bekleidung niederschlägt – Stichwort Pinkelpause. Meist ist Geschlecht aber kein Thema, vielmehr geben diverse Verletzungen oder Schmerzen, Unterschiede in der körperlichen und seelischen Belastbarkeit in dieser Extremsituation den Ausschlag.

Birgit Lutz: Grenzerfahrung Grönland. Mein Expeditionsthriller. 382 Seiten, btb Verlag, München 2014          EUR 20,60

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2014

Im Bilderrausch

helsinki_school„The Helsinki School – A Female View“ ist der inzwischen vierte Band einer Reihe von Publikationen der Aalto University School of Art and Design. Diese international renommierte Uni für Design, Film, neue Medien, audiovisuelle Kommunikation, Kunstunterricht und Kunst positioniert sich mit dem Konzept der „Helsinki School“ im Bereich Fotografie und Video. Dabei geht es um die spezielle Herangehensweise in der universitären Lehre, die „jeder Generation die Chance geben soll, sich selbst zu erfinden und die Kamera dabei als konzeptionelles Tool zu verwenden.“ Der vorliegende Band trägt den Zusatz „A Female View“, was heißt, dass 22 Fotografinnen Raum gegeben wird, um ihre Werke zu präsentieren. Es wird dabei sehr schnell klar, dass von „einer weiblichen“ Sicht keine Rede sein kann. Jede Künstlerin hat ihren ganz eigenen Stil, ihre individuellen Techniken und Blickwinkel. Das reicht von wunderbaren Porträts (Nelli Palomäki) über kaleidoskopartige Architekturaufnahmen (Nanna Hänninen) und großartige Installationen von Vintage-Kleidungsstücken in der Natur (Riitta Päiväläinen) bis zu Fotografien im Stil traditioneller chinesischer Landschaftsmalerei (Sandra Kantanen). Ein schön ausgestatteter Band, der inspiriert.

The Helsinki School. Vol. 4. A Female View. Hg. von Aalto University School of Art and Design. 188 Seiten, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2011 EUR 40,90

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2012