Ur pippig

Die Geschichte, dass Astrid Lindgrens Welterfolg „Pippi Langstrumpf“ beim größten schwedischen Verlag Bonniers seinerzeit abgelehnt wurde und dafür der weniger renommierte Verlag Rabén & Sjögren das große Los zog, kennen eingefleischte Pippi-AnhängerInnen natürlich längst. Für alle, die es noch genauer wissen wollen, gibt es jetzt das Ur-Manuskript, so wie es Lindgren ihrer Tochter zu Weihnachten schenkte und dann bei Bonniers einreichte, in Buchform. Wie das ausführliche Nachwort der Literaturwissenschafterin Ulla Lundqvist zeigt, ist dieser Text zwar gleich lang wie die schließlich veröffentlichte Version, aber zu 40% unterschiedlich, was sich durch Streichungen und Hinzufügungen neuer Szenen erklärt. Aber auch der Ton veränderte sich, Pippi wurde etwas weniger unverschämt, dafür etwas mitfühlender. Lindgren entwickelte in der Bearbeitung ihr schriftstellerisches Talent weiter, indem sie manche Passagen schlicht für Kinder leichter verständlich machte. Trotzdem gibt es in der Urfassung der Pippi einige nette Details, deren Verschwinden zu bedauern ist, so etwa die Szene, in der Pippi zu Tommy und Annika sagt: „Liebe kleine karierte Kinder!“. Amüsant zu lesen für alle erwachsen gewordenen Pippis unter uns, und ein Muss für alle Lindgrenbegeisterten.

Astrid Lindgren: Ur-Pippi. Übersetzt von Cäcilie Heinig und Angelika Kutsch. Kommentiert von Ulla Lundqvist. 176 Seiten, Oetinger, Hamburg 2007, EUR 15,40

erstmals erschienen in WeiberDiwan 02/2007

Bildgeschichten

Heuer wäre Astrid Lindgren 100 Jahre alt geworden. Ein Grund auch für ihren langjährigen deutschsprachigen Verlag Oetinger die meisten ihrer Bücher neu aufzulegen. Ein ganz besonderes Schmuckstück ist allerdings ein neues Buch über Lindgren, ein großer Bildband, der das Leben der Autorin noch einmal in neuer Tiefe zeigt. Fotografien aus mehr als 100 Jahren und Faksimiles von Briefen, Manuskriptseiten und Dokumenten. Alles beginnt natürlich mit Bildern von Småland aus Lindgrens Kindheit, dann das junge Erwachsenenleben und die ersten Fotos ihrer Kinder, FreundInnen, Verwandte, ihre Wohnumgebung, das geliebte Ferienhaus. Die so gezeigte „private“ Astrid ist auf den ersten Blick wohl bekannt, ein vielfach reproduziertes Idyll, das aber einmal mehr gebrochen wird, im Begleittext oder etwa auch in der Abbildung vom Reisepass der knapp 20-Jährigen, die sparte, wo sie nur konnte, um ihr – unehelich geborenes – Kind bei der Pflegefamilie in Kopenhagen zu besuchen.

Ein großer Teil des Bandes widmet sich dann der Arbeit als Autorin; besonders die Fotos von den Filmsets erweitern auf faszinierende Art und Weise den Blick der Betrachterin: nur zu bekannt sind die Gesichter der SchauspielerInnen von Pippi, Michel und Co, doch hier sieht man sie gemeinsam mit der Erschafferin ihrer Rollen: mit Pippi schleicht Lindgren durch den Garten der Villa Kunterbunt und erklärt ihr anscheinend die nächste Szene, gemeinsam mit Ronja (Räubertochter) und deren Freund Birk steht sie im windigen Wetter und blickt auf die Mattisburg.

Perfekt wird der Band aber erst durch die „ungewöhnlichen“ Bilder, die zeigen, dass Lindgren eben außergewöhnlich war: als 71-Jährige auf einen Baum kletternd oder beim Foto-Shooting zum 90. Geburtstag Grimassen schneidend, den Schalk und Humor ungebrochen in den Augen. Unbedingt empfehlenswert!

Jacob Forsell, Johan Erséus, Margareta Strömstedt: Astrid Lindgren. Bilder ihres Lebens. Übersetzt von Angelika Kutxh. Oetinger, Hamburg 2007 EUR 40,10

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2007